Montag, 4. Mai 2009

Man lernt nie aus...




Nachdem wir vom Internetcafe zurueck im Hostel waren, hatte ich nochmal eine recht interessante Unterhaltung, mit dem schon etwas aelteren Herren (um genau zu sein, er war 75 Jahre alt). Nein, keine Sorge, ich habe keine komischen Neigungen entwickelt, aber es war wirklich nett sich mit ihm zu unterhalten. Er hiess John und kommt aus Yorkshire, lebt aber nun schon seit ca. 55 Jahren in Wellington. Nach dem 2. Weltkrieg entschied er sich dazu, nach Neuseeland auszuwandern. John erzaehlte sehr viel von Maerchen und ihren psychologischen Hintergrund. Er interessierte sich sehr fuer meine Arbeit in der Psychiatrie. Als ich fragte, woher sein Interesse fuer Maerchen und sein Wissen ueber die psychologische Komponente kaeme, erzaehlte er mir seine Geschichte, eine wirklich unglaubliche Geschichte.
Er, seine Frau, sein Sohn Michael und seine Tochter lebten zusammen in Wellington. Als sein Sohn ca 21 Jahre war, kam er aus Amsterdam von seinem Urlaub mit einer drogeninduzierten Psychose zurueck. In seiner Psychose versuchte er 5.11. (an dem Tag fand im 17. Jahrhundert in England die Bonfire Night statt, wo versucht wurde das Parlament in die Luft zu sprengen), das alte Parlament in Wellington in die Luft zu sprengen. Dieser Versuch konnte verhindert werden und er wurde fuer 1 Jahr ins Gefaengnis gesperrt. Da sein handeln durch die Psychose verursacht wurde, kam er anschliessend noch in die Psychiatrie zur Behandlung. Anschliessend wurde er nach Hause entlassen, wobei er weiterhin unter ambulanter Therapie Psychopharmaka erhielt. Diese setzte er nach einiger Zeit ab. Da sein Zustand wieder schlechter wurde (Stimmen hoeren) und auch seine Freundin mit ihm Schluss machte, wollten John und seine Frau ihn wieder zurueck in die Psychiatrie bringen. Das Krankenhaus verwies sie, erst am Montag zur Aufnahme (es war Freitag) wiederzukommen und ihn fuer das Wochenende daheim zu behalten. John schilderte, dass er sich bereits am Samstag sehr komisch verhielt und seltsame, unverstaendliche Dinge erzaehlte. John haette sich am Nachmittag kurz hingelegt, um sich auszuruhen. In der Zwischenzeit brachte sein Sohn Michael seine Frau um. Der Notdienst kam und brachte ihn in die Psychiatrie (John meinte, dass es die selben Leute aus der Psychiatrie waren, die Michael am Freitag nicht aufnehmen wollten). Dort erhielt er Sicherheitsverwahrung. Im Alter von 29 Jahren brachte sich Michael selbst um.
John erzaehlte mir viel von seiner Frau, die seine wahre Liebe war. Und er erzaehlte auch viel von Michael, dass er immernoch sein Sohn war, dass es die Krankheit war, die ihn das machen liess und er ihn auch regelmaessig in der Psychiatrie besuchte. Auf alle Faelle entwickelte John sein Interesse fuer die Psychologie, um das Handeln seines Sohnes besser verstehen und verarbeiten zu koennen. Er beschaeftigte sich viel mit Freud und Jung. Wobei er auch sagte, dass er erst mit 30 Jahren das Lesen lernte.
Trotz seiner erschreckenden und dramatischen Geschichte, die dieser Mann mitgemacht hat, betonte er immer wieder waehrend seinen Erzaehlungen, dass das Leben das wertvollste und wunderbarste Geschenk ist und man jeden Tag auf's neue geniessen soll. Ich fand diese Einstellung so unglaublich beeindruckend, nach all dem was er gesehen und miterlebt hat solch eine gesunde Einstellung zum Leben zu haben. Ich muss wirklich sagen, dass diese ca. 2 1/2 Stunden, die ich mich John unterhalten habe so faszinierend waren und ich das Gespraech mit ihm wirklich genossen hab. Somit ist meine Moral aus dieser Geschichte, die ich gelernt habe: "Wenn man sich die Zeit nimmt richtig zu zuhoeren und vor allem die Person nicht in den ersten 5 Minuten als alt und senil abstempelt, kann man wirklich die Chance haben etwas ueber das Leben zu lernen."

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